Stereo Röhrenverstärker mit 4 Eingängen
Einleitung
Die Restauration mehrerer Röhrenradios aus den 50-gern hat mich in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt und es hat mir Freude bereitet, die meist verkommenen Schätzchen wieder in ihren Ursprungszustand zu versetzten und den alten Klang wieder ertönen zu lassen. Meine Elektronik-Basteleien haben damals mit der Röhrentechnik begonnen und ich habe manches Röhrenradio ausgeschlachtet, um aus den Einzelteilen Verstärker für die Musikszene der 60-Jahre zu bauen. Nun hatte ich den Gedanken, Gleiches wieder zu tun, jedoch wollte ich die alte Röhrentechnik mit den Empfangsmöglichkeiten der heutigen Zeit mit dem Bau eines Receivers kombinieren. Die klanglichen Vorteile eines Röhrengerätes bieten auch heute noch ihren Reiz, hingegen ist der klassische Radioempfang bis auf den bald auch verschwindenden UKW-Bereich praktisch nicht mehr vorhanden. Die Sender kommen heute über Internet oder das Kabelnetz, bei den Audio-Quellen sind die CD-Zeiten auch schon fast vorbei, hier ist heute die Tonübertragung via Bluetooth voll im Trend.
Ausgehend von diesen Gedanken war es eine gewisse Herausforderung, sich erneut mit der alten Technik zu befassen und gleichzeitig neue Technologien zu integrieren. Für das Projekt ergaben sich somit die Aufgabenstellung, einen Stereo-Röhrenverstärker mit vier Eingangsmöglichkeiten aufzubauen:
- Radioempfang über DVB-C Tuner
- Audioquelle über Bluetooth-Empfänger
- Audio 1, CD oder sonstige Quelle
- Audio 2, CD oder sonstige Quelle
Der Gesamtaufbau
Neben dem Röhrenverstärker sollte die Anlage einen Tuner und einen Bluetooth-Empfänger enthalten. Diese beiden Geräte habe ich im Internet erworben, den DVB-C Tuner incl. Fernbedienung für weniger als 50,- Euro und den Bluetooth-Empfänger (wie ich ihn auch schon in diversen Oldtimer-Autoradios verbaut habe) für weniger als 5,- Euro. Beide Geräte arbeiten perfekt, die moderne Technik war damit erledigt und musste nur noch in ein gemeinsames Gehäuse integriert werden.
Da das Gehäuse auch für die Aufnahme der relativ schweren Trafos geeignet sein musste, wurden als Träger für die Front- und Rückseite je ein Alu U-Profil 40 x 60 x 40 mm von 400 mm Länge und 2,5 mm Materialstärke gewählt. Die Seitenwangen habe ich aus Holz gefertigt und für die U-Profile entsprechende Aussparungen eingefräst, somit war eine optimale Stabilität gegeben. Diese beiden Profile und die Seitenwangen wurden innen durch weitere Alu Winkelprofile miteinander verschraubt. Diese dienten dann auch zur Aufnahme von insgesamt 4 Platinen von 160 x 190 mm mit folgenden Funktionen:
- Platine 1 unten links als Träger für den Tuner und das Tuner-Netzteil
- Platine 2 unten rechts als Eingangsplatine sowie Lautstärke- und Klangregelung
- Platine 3 oben links als Netzteil des Röhrenverstärkers, Aussteuerungsanzeige und Bluetooth
- Platine 4 oben rechts als Vor- und Endverstärker incl. Ausgangsübertrager
Die Platinen wurden mit Abstandsbolzen mit 3 mm Innengewinde neben- und übereinander auf den Quer-Winkelprofilen verschraubt. Die Platinen 2 bis 4 sind weiter unten zusammen mit dem Gesamtschaltplan abgebildet.
Um den optischen Eindruck der Röhrentechnik zu unterstreichen sollten die beiden oberen Platinen mit sämtlichen Bauteilen sichtbar bleiben. Die Abdeckung erfolgte hier daher nur durch eine Acrylglasscheibe, welche für die Trafos und Röhren entsprechende Aussparungen enthielt und zur Vermeidung von Temperaturproblemen mit einigen Millimetern Abstand montiert wurde. Der Gehäuseboden wurde zur besseren Luftzirkulation mit einem gelochte Alublech versehen.
Der Röhrenverstärker
Das Kernstück der Anlage stellt der Röhrenverstärker dar. Basis hierfür sollte wie auch früher schon ein altes Stereo-Radiogerät sein. Diese Geräte wurden Anfang der 60-Jahre gebaut und werden heute in einer Vielzahl im Internet angeboten. Diese Angebote muss man genau betrachten, möglichst viele Detailangaben und Bilder helfen hier bei der Auswahl. Da ich in diesem Fall kein Restaurierungsobjekt suchte, war der äußere Zustand nicht endscheidend, vielmehr musste die Technik vollständig vorhanden sein. Meine Wahl fiel letztlich auf ein Graetz Fantasia 1120 Stereo mit defektem Gehäuse, fehlendem Skalenglas und unvollständigen Drehknöpfen, für meine Zwecke optimal geeignet. Die technischen Daten des Verstärkerteils stellen sich wie folgt dar:
Baujahr: | 1962/63 |
---|---|
Röhren: | NF-Gegentakt-Endverstärker 2 x ELL80 |
NF-Vorstufe / Phasendreher 3 x ECC83 | |
Magisches Band EM84 | |
Netztrafo: | Kern EL84, 90 MVA, primär 110/127/150/220 V |
sekundär 230 V / 150 mA, 6,3 V / 4 A | |
Gleichrichter: | Selen Flachgleichrichter B250 C150 |
In einem kurzen Probelauf wurden die Grundfunktionen des Radios erfolgreich getestet und anschließend wurde das Gerät komplett ausgeschlachtet. Als wesentliche Bauteile sollten der Netztrafo, die Ausgangsübertrager sowie die Röhren in dem neuen Gerät wiederverwendet werden. Kondensatoren, Widerstände, Potis, Schalter, Röhrensockel usw. wurden durch Neuteile bzw. vorhandene Bauteile aus der Bastelkiste ersetzt. Die Originalplatine mit den Verstärkerröhren blieb somit für Bastelzwecke erhalten.
Netztrafo und Ausgangsübertrager wurden für die sichtbare Montage optisch aufgearbeitet. Nicht mehr erforderliche Montagewinkel und Verdrahtungsträger wurden entfernt und die Trafos mit teilweise selbstgefertigten Hauben verkleidet. Nach anschließender Lackierung waren die Originale nicht mehr wiederzuerkennen.
Wie eingangs erwähnt wurden für den Neuaufbau entsprechende Platinen entworfen und angefertigt. Ziel war es, die in den früheren Geräten übliche umfangreiche Verdrahtung einfacher, übersichtlicher und durch den Platinen-Aufbau ansprechender zu gestalten. Die neuen Platinen enthielten daher nur wenige Steckverbindungen untereinander und konnten für Servicezwecke leicht demontiert werden. Dieser Umstand sollte sich bei der Inbetriebnahme noch als sehr nützlich erweisen. Zu den Platinen folgende Details:
Platine 1
Diese fungiert praktisch nur als mechanischer Träger für den Tuner und das
Netzteil des Tuners und bedarf hier keiner weiteren Erklärung.
Platine 2
Auf dieser Platine sind die vier Eingänge (Chinch- und DIN-Buchsen bzw.
Steckverbindungen) mit entsprechender Umschaltung, Lautstärke-, Klang- und
Balance-Regelung sowie vier umschaltbare Lautsprecherausgänge zusammengefasst.
Wie im Schaltplan zu erkennen erfolgt die Verbindung zur Verstärkerplatine
über eine zehnfache Steckverbindung.
Platine 3
Hier sind im hinteren Teil der Netztrafo und das Hochspannungsnetzteil
untergebracht. Im Vordergrund ist eine Aussteuerungsanzeige mit je einer EM 84
pro Kanal realisiert. Ebenso ist der Bluetooth-Empfänger mit einer 5 V
Spannungsversorgung hier installiert.
Platine 4
Die eigentliche Verstärkerplatine mit insgesamt 5 Röhren und den zwei
Ausgangsübertragern. Hier wurde das Layout in Anlehnung an das Konzept der
Originalplatine erstellt. Durch die Platzierung der Ausgangsübertrager direkt
auf der Platine sowie den Wegfall diverser Klangschaltungen gegenüber dem
Original konnte der Aufbau jedoch wesentlich übersichtlicher gestaltet werden.
Der Gesamtschaltplan des Röhrenverstärkers sowie die Bestückungsansichten der 3 Hauptplatinen machen den Aufbau des Gerätes deutlich.
Schaltplan und Platinen
Gesamtschaltplan
Platine 2, Eingangsstufe
Platine 3, Netzteil
Platine 4, Verstärkerstufe
Inbetriebnahme
Nach dem ersten Einschalten des neu aufgebauten Gerätes und dem Aufheizen der Röhren war der erste Probelauf sofort erfolgreich, alle Schalt- und Regelfunktionen funktionierten und der Klang entsprach den Erwartungen. Leider wurde dieser aber durch einen unüberhörbaren Brummton auf beiden Kanälen überschattet. Eine aufwendige und zeitintensive Fehlersuche begann.
Zunächst wurde die gesamte Schaltung und sämtliche Bauteile nochmals überprüft und auf der Platine durchgemessen. Bei der Prüfung wurde besonders auch auf die Hochspannungs-Elkos im Netzteil geachtet, da diese im Laufe der Jahre austrocknen können und oft die Ursache für Brummerscheinungen sind. Da jedoch alle Bauteile neu waren und auch der Gleichrichter und die Elkos durch neuere Typen ersetzt wurden, lagen erwartungsgemäß alle Werte im Rahmen der Toleranzen der Sollwerte. Der Grund für das Brummen war also anderweitig zu suchen.
Da das Brummen auch bei abgeregelter Lautstärke und ohne Anschluss einer Signalquelle auftrat, habe ich zunächst die Steckverbindung zwischen Eingangsplatine und Verstärkerplatine getrennt. Der Brummton blieb unverändert, musste also in der Verstärkerplatine hervorgerufen werden. Ein Fehler im Aufbau der Platine war nicht zu finden, daher wurde eine Masseschleife als Ursache in Erwägung gezogen. Aber wo sollte bei der Minimalverdrahtung diese Schleife hervorgerufen werden? Bei einer vorsichten Demontage der Platinen zeigte sich plötzlich ein Einfluss. Das Lösen einzelner Schrauben an den Abstandsbolzen der Platinen veränderte den Brummton. Die Abstandsbolzen waren in Metall ausgeführt und stellten somit multiple Verbindungen zwischen den Massen der einzelnen Platinen dar. Das Gerät wurde daher komplett auseinandergebaut und alle Abstandsbolzen durch isolierende Ausführungen in Polyamid ersetzt. Die Masseverbindung zwischen den einzelnen Platinen wurde dann nur durch eine zentrale Drahtverbindung hergestellt und somit das Brumm-Problem gelöst.
Noch eine weitere Problematik möchte ich hier ansprechen. Die alten Radiogeräte waren für die frühere Netzspannung von 220 V ausgelegt. Nominell haben wir heute 230 V, gemessen gerne auch mal bis zu 237 V! Das sind bis zu 8 % mehr, d.h. 6,8 V Heizspannung statt 6,3 V, die tragen auf Dauer zu einem erhöhten Röhrenverschleiß bei. Noch schlimmer sieht es bei der Hochspannung aus, hier sind nicht nur 8 % zu verzeichnen, wenn man auch noch den alten Selengleichrichter durch einen modernen Brückengleichrichter ersetzt. Den erheblichen Anstieg der Hochspannung sollte man durch einen Vorwiderstand (mit Kühlkörper) reduzieren, in meinem Fall habe ich 120 Ohm gewählt.
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