Alfa Romeo Berlina 1750, Protokoll einer Komplett-Restauration

Der Kauf

2013 war es dann wieder soweit, ich hatte mich entschlossen einen weitern 105-er anzuschaffen. Ich interessierte mich wieder für einen Bertone oder auch eine Jule aber dann stach mir aber das Angebot einer 1750-er Berlina ins Auge. Sofort wurden alte Erinnerungen wach und nach einer Besichtigung und Probefahrt habe ich mich zum Kauf entschlossen. Da mir ohnehin wieder eine Komplettrestaurierung vorschwebte kam es mir auf eine gute Substanz an, die Optik war mir weniger wichtig. Die Berlina war angeblich technisch und optisch in gutem Zustand, letztlich reduzierte sich das aber auf eine wirklich gut gearbeitete Leder- Komplettausstattung die verbunden mit den Echtholz-applikationen dem Fahrzeug eine besondere Note geben. Die zwischenzeitlich aufgebrachte Lackierung in Silber-Metallic war von minderer Qualität und harmonierte nicht mit dem Chrom der 70-er Jahre. (Bild 1 ).

Ankauf Berlina 1750
Bild 1 Alfa Romeo Berlina nach Ankauf am 03.10.2013

Die erste Bestandsaufnahme

Nach der Überführungsfahrt und einer genaueren Inspektion zuhause lassen sich die Vor- und Nachteile wie folgt zusammenfassen:

Vorteile:

  • Ruhiger Motorlauf und gutes Fahrverhalten
  • Top Innenausstattung in schwarzem Leder wie oben schon erwähnt
  • Guter Unterboden ohne erkennbaren Mängel (Rost)
  • Fehlende oder reparaturbedürftige Teile (Kühler, Stoßstangenhörner, Kleinteile) sowie ein zweites Getriebe lagen bei
  • Umfangreiche Dokumentationen (Prospekte, Rechnungen, Belege usw.)

Nachteile:

  • Schlechte Lackierung, mehrfach nachlackiert mit Farbunterschieden
  • Schwarzer Spiegel am Heck nicht original, fehlende Stoßstangenhörner
  • Motorraum komplett mit Unterbodenschutz zugeschmiert (tolle Konservierung!?)

Auf Anfrage in Arese wurde bestätigt, dass das Fahrzeug im Mai 1970 produziert und nach Gorizia in Italien ausgeliefert wurde, Farbe Oliv grün Metallic mit Camel-Inneneinrichtung. Dies ging auch aus dem beiliegenden Service-Heft hervor, Dokumente wie TÜV-Berichte und Rechnungen gaben Aufschluss über die weitere Historie. Demnach kam das Fahrzeug 1977 nach Deutschland, taucht laut den Unterlagen in den 90-er Jahren wieder auf und war 20 Jahre in gleichem Besitz (Bild 2):

Auskunft über die Produktion der Berlina in Arese
Bild 2 Auskunft vom Automobilismo Storico Alfa Romeo

Die Demontagearbeiten

Da ich entschlossen war, die Lackierung von Grund auf innen wie außen neu aufzubauen, sollte das Fahrzeug komplett zerlegt werden. Natürlich würde das auch Aufschluss geben über den tatsächlichen Zustand der Karosserie.

Nach den Erfahrungen aus früheren Projekten wurde zunächst Stück für Stück mit der Demontage der Anbauteile begonnen. Diese wurden dann sofort aufgearbeitet oder falls erforderlich neu beschafft. Anschließend wurden die Teile verpackt und für die spätere Montage eingelagert. So wurde grundsätzlich mit allen Teilen verfahren, wobei Kleinteile wie Schrauben und Befestigungsteile vorzugsweise neu in Rostfrei-Qualität beschafft wurden.

Nachdem auch Motor incl. aller Anbauteile, Getriebe und Fahrwerk ausgebaut waren wurde die Karosserie für die weitere Bearbeitung auf eine früher angefertigten verfahrbaren Rahmen gestellt.

Karosseriearbeiten

Zunächst wurde der Lack innen und außen mit Spachtel und Heißluftföhn komplett entfernt. Das blanke Blech zeigte anschließend erstaunlich wenig Roststellen, insbesondere die kritischen Schweißnähte an den Kotflügelverbindungen waren einwandfrei, nur im unteren Bereich der hinteren Kotflügel musste etwas nachgeschweißt werden. Wie schon bei der ersten Inspektion ersichtlich zeigte sich auch der Unterboden in gutem Zustand.

Besonders aufwendig gestalteten sich die Arbeiten im Motorraum. Hier waren alle Blechteile mit einer dicken Schicht Unterbodenschutz versehen. Sicherlich hat das zur guten Konservierung beigetragen, war aber äußerst unansehnlich und musste natürlich vor einer Neulackierung entfernt werden. Ebenso unerfreulich war der Anblick des Kofferraums, hier fand sich teilweise noch die Originallackierung wieder, jedoch begleitet von Kleberesten einer offensichtlich früher angebrachten Verkleidung. Aber auch das wurde letztlich alles entfernt.

Nach Rücksprache mit dem Lackierer blieben die Oberflächen der Motorhaube, des Daches und des Kofferraumdeckels unberührt, diese Arbeiten sollten dem Fachmann vorbehalten bleiben.

Die Bilder 3 bis 5 zeigen den Zustand der Karosserie nach der Befreiung von Lack und Spachtelmasse. In diesem Zustand wurde das Fahrzeug dem Lackierer zur weiteren Bearbeitung übergeben.

Karosserie nach Lackentfernung
Bild 3 Karosserie nach Lackentfernung
Vorderwagen nach Lackentfernung
Bild 4 Vorderwagen nach Lackentfernung
Innenraum nach Demontage
Bild 4 Innenraum nach Demontage

Fahrwerksarbeiten

Auch das Fahrwerk wurde komplett demontiert, zerlegt, gereinigt und neu lackiert. Sämtliche beweglichen Teile wie Lager, Buchsen und Gelenkköpfe wurden hierbei erneuert. Gleiches gilt für die Bremsanlage und die Stoßdämpfer. Die folgenden Bilder zeigen die Hinterachse Bilder 6, die Bremse HL Bilder 7 und die Vorderachse rechts Bilder 8.

Hinterachse
Bild 6 Hinterachse
Bremse HL
Bild 7 Bremse HL
Vorderachse
Bild 8 Vorderachse

Motor und Getriebe

Da der Motor bisher gut gelaufen war gab es keine Veranlassung für eine komplette Revision. Der Motor wurde daher äußerlich gereinigt und Zylinderkopfdeckel und Ölwanne neu abgedichtet, jedoch ohne weiter in das Innenleben einzugreifen. Beim Getriebe gab es auch keinen Grund für eine Beanstandung, trotzdem wurde das Gehäuse geöffnet, sämtliche alten Ölreste entfernt und die einzelnen Teile einer Sichtkontrolle unterzogen. Anschließend wurde das Gehäuse neu abgedichtet und war wieder einbaufertig. Die Bilder 9 und 10 zeigen den Motor und das Getriebe jeweil in einbaufertigem Zustand.

Motor einbaufertig
Bild 9 Motor einbaufertig
Getriebe einbaufertig
Bild 10 Getriebe einbaufertig

Elektrik

Im Rahmen der Revision wurde die Elektrik in folgenden Punkten aufgearbeitet:

  • Revision der Außenbeleuchtungsanlage und falls notwendig Ersatz einzelner Teile (Halogenbirnen und Reflektoren)
  • Da bei den 105-er Modellen beim Abstellen gerne schonmal das Ausschalten des Fahrlichtes vergessen wird, kennt wohl jeder das Problem einer dadurch verursachten leeren Batterie. Die Beleuchtung wurde daher auf Relaissteuerung über Zündung umgebaut, d.h. mit Ausschalten der Zündung schaltet automatisch auch die Fahrzeugbeleuchtung ab. Da laut Vorschrift das Standlicht auch unabhängig von der Zündung schaltbar sein muss, wurde die über den meiner Ansicht überflüssigen Schalter für die Instrumentenbeleuchtung in der Mittelkonsole realisiert.
  • Alle Instrumente wurden geöffnet und von innen gesäubert. Es ist kaum zu glauben wieviel Fett sich über die Antriebswellen im Laufe der Jahre in die Instrumentengehäuse eingearbeitet hat. Bei dieser Gelegenheit wurden die schwachen Beleuchtungsbirnchen durch mehrere in Reihe geschaltete LED’s ersetzt. Die Instrumente sind dadurch auch bei Dunkelheit bestens abzulesen und die gesamte optische Erscheinung der Armaturen ist beeindruckend.
  • Die serienmäßige Zeituhr wurde durch ein Ölthermometer ersetzt, eine durchaus sinnvolle Ausstattung bei allen meinen 105-ern.
  • Der Kabelbaum wurde ebenfalls komplett überarbeitet und um die erforderlichen Leitungen für die Zusatzeinrichtungen ergänzt.

Der Schaltplan mit den entsprechenden Ergänzungen ist im Bild 11 dargestellt:

Schaltplan mit Zusatzausstattung
Bild 11 Schaltplan mit Zusatzausstattung

Innenausstattung

Das werksseitige Camel-farbige Interior war vom Vorbesitzer durch eine komplette schwarze Lederausstattung ersetzt worden. Sitze und Türverkleidungen waren sauber verarbeitet und konnten problemlos übernommen werden. Die Echtholzeinlage im Armaturenbrett war durch entsprechende Holzapplikationen in den Türgriffen und Fensterkurbeln ergänzt worden. Der gute Gesamteindruck wurde leider etwas getrübt, da durch den erheblichen Lackauftrag auf dem Holz der der Echtholzcharakter verlorenging und die Teile wie Kunststoff aussehen ließen. Alle Holzteile wurden daher abgebeizt und anschließend mit einer matten Lasur bearbeitet. Abgerundet wurde das Bild durch ein zeitgenössiges „Hellebore“ Holzlenkrad sowie einen Schaltknauf aus Holz. Das Bild 12 gibt einen Eindruck von der Innenausstattung wieder.

Innenausstattung
Bild 12 Gesamtansicht der Innenausstattung

Lackierung

Nach den oben beschriebenen Karosseriearbeiten und der Lackentfernung wurde die Rohkarosse dem Lackierer für die weiteren Arbeiten übergeben. Hier wurde dann von Grund auf ein neuer Lackaufbau in mehreren Schichten vorgenommen. Diese Arbeiten gestalteten sich natürlich sehr zeitaufwendig, da die Türen und Hauben bei diesen Vorgängen immer wiederentsprechend eingepasst werden mussten und für die Endlackierung wieder ausbebaut werden mussten. In Erinnerung an eine Berlina aus meiner Studentenzeit wurde als Endlackierung der Originalfarbton AR 516 – Faggio Amaranto gewählt. Die Bilder 13.1 bis 13.3 zeigen die Karosserie nach den einzelnen Arbeitsschritten wie Spritzspachtelauftrag, Grundierung und Endlackierung.

Karosserie nach Auftrag von Spritzspachtel
Bild 13.1 Karosserie nach Auftrag von Spritzspachtel
Karosserie nach Auftrag der Grundierung
Bild 13.2 Karosserie nach Auftrag der Grundierung
Karosserie nach Endlackierung
Bild 13.3 Karosserie nach Endlackierung

Zusammenbau

Nach Rückkehr der Karosserie vom Lackierer konnte mit der Komplettierung der letzte und schönste Schritt der Restaurierungsarbeiten beginnen. Mit dem Einbau des Fahrwerks und der entsprechenden Bestückung des Motorraums wurde die Berlina wieder auf eigene Beine gestellt. Stück für Stück wurde anschließend der Innenraum komplettiert und die Türen, Hauben sowie Verglasung eingepasst. Das hierbei für Tür- und Fensterdichtungen sowie viele anderen Kleinteile ausschließlich Neuteile zu Einsatz kamen versteht sich von selbst.

Wie die Bilder 14 und 15 zeigen, wurde besonders viel Aufwand bei der optischen Gestaltung des Motorraums getrieben. Ebenso beim Kofferraum, dieser wurde komplett mit schwarzem Velours ausgeschlagen und die Ränder mit Leder eingefasst.

Motorraum
Bild 14 Motorraum
Kofferraum
Bild 15 Kofferraum

Ausfahrten und Nacharbeiten

Nach Zulassung der Berlina mit Oldtimer Wechselkennzeichen konnten dann im Sommer 2014 die ersten Ausfahrten erfolgen.

Hier zeigte sich schnell ein Problem mit der Hinterachse. Die beim Kauf montierten Räder mit Stiel-Alufelgen berührten bei Kurvenfahrten die Karosserie. Da das Problem auch durch Ausrichten der Hinterachse nicht zu beseitigen war, konnten nur die neuen Federn der Hinterachse ursächlich sein. Durch Zufall konnte ich die recht seltenen original Stahlfelgen mit den großen Chrom-Radkappen bei Ebay ersteigern. Mit neuer Bereifung ausgestattet gaben sie der Berlina auch wieder das originale Aussehen zurück. Die Aluräder konnten günstig verkauft werden, somit gestaltete sich die Umrüstung als kostenneutral. Mit dieser Maßnahme war das Problem der schleifenden Räder zunächst gelöst. Wie sich später herausstellte waren aber auch falsche Federn montiert. Die im Handel angebotenen Federn für die Berlina (Bild 16) sollten angeblich mit den Federn für den Montreal identisch sein. Tatsächlich gehören in die Berlina aber die Federn vom Serie 4 Spider rein!

Federn Hinterachse
Bild 16 Federn Hinterachse

Nachdem das Federproblem gelöst war störten aber noch Poltergeräusche besonders bei Querfugen auf der Straße aus dem Bereich der Hinterachse. Alles Suchen nach eventuellen Ursachen blieb erfolglos. Auf Verdacht wurden dann die im Zuge der Restaurierung neu eingebauten „Magneti Marelli“ Stoßdämpfer gegen „Koni Rot“ ausgetauscht. Die Geräusche waren sofort verschwunden und das Fahrverhalten natürlich auch entsprechend besser.

Im September ging es dann auf große Fahrt zur Silvretta Bergrallye des Alfaclubs ins Montafon. Über 3000 km wurden zurückgelegt und die Berlina machte ihrem Ruf als komfortable Reiselimousine der alten Zeit alle Ehre. Leider machte sie aber auch besonders nach Bergabfahrten im Schiebebetrieb durch deutliche Rauchzeichen auf sich aufmerksam, welches sich auch in einem erheblichen Ölverbrauch niederschlug. Eine komplette Motorrevision schien doch erforderlich, besonders nachdem beim anschließenden Ausbau des Triebwerkes auch noch ein Haarriss im Motorblock durch den Austritt von Kühlwasser sichtbar wurde, offensichtlich durch einen früheren Frostschaden verursacht. Der Motor wurde daraufhin mit einem neuen Block nach den Kriterien eines Austauschmotors vollständig neu aufgebaut. Mit dem neuen Motor hat die Berlina inzwischen über 8000 km problemlos zurückgelegt und auch schon zweimal wieder an der Montafon Bergrallye teilgenommen.

Link auf die Homepage des Alfaclubs: http://www.alfaclub.de

Bildergalerie

Bild 1
Bild 17
Bild 2
Bild 18
Bild 3
Bild 19